Wenn die Katze Gras frisst / Grünzeug mit Widerhaken

 

 

In der Speiseröhre der Katze Mey-Mey bleibt ein Grashalm stecken. Das Tier kann ihn nicht auswürgen, nur der Arzt schafft Abhilfe. Eigentlich ein Routinefall, aber so ganz ungefährlich ist das Phänomen nicht. 

Dass sich Katzen zuweilen an Gras gütlich tun, ist bekannt. Mit der Aufnahme von Gras „bündelt“ die Katze die Haare, die sie während den täglichen Reinigungsprozessen abgeleckt und verschluckt hat. Gras und Haare vermischen sich im Magen zu einem Ballen, der dann herausgewürgt wird. Eine Theorie besagt auch, dass das Tier mit dem zerkauten Gras zusätzliche Nahrungsstoffe aufnimmt.

Grundsätzlich stellt das Verhalten kein Problem dar, insbesondere dann, wenn die Samtpfote nicht täglich und in rauen Mengen am (hoffentlich pestizidfreien) Grünzeug kaut. Nicht von ungefähr wird „echten“ Stubentigern das im Fachhandel erhältliche Katzengras bereitgestellt. Demgegenüber erfreuen sich Tiere mit Freigang primär am reich gedeckten Tisch in der Natur.

Die Aufnahme von Gras kann jedoch zu Komplikationen führen. Wie beispielsweise bei Mey-Mey, der 11jährigen Katze von Cécile Cordey, seit rund zwölf Jahren tierärztliche Praxisassistentin in der Kleintierklinik S. in Flamatt.

Von Würgereizen geplagt

„Vor kurzem konnte ich feststellen, dass Mey-Mey beim Fressen Mühe bekundete“, erzählt Cécile Cordey. „Jeder Happen schien sie zu reizen. Sie kaute übermässig lange darauf herum, würgte heftig und versuchte vergeblich, sich zu übergeben.“ Eine normale Nahrungsaufnahme schien ihr nicht mehr möglich, erinnert sich Cordey. Ihre „Prinzessin“ habe immer wieder mit leerem Maul gekaut, heftig geschmatzt und sei von heftigen Würgereizen geplagt worden. „Ich kenne diese Symptome aus der Praxis“, führt sie weiter aus. „Man bringt uns hin und wieder eine Katze, die einen Grashalm gekaut und dann vergeblich versucht hat, ihn gänzlich zu verschlucken. Das Gras steckt irgendwo im Rachen fest und stört das Tier gewaltig.“ Für Cécile war rasch klar: Mey-Mey zeigt genau diese Anzeichen. Die vergeblichen Bemühungen der Katze, den Fremdkörper loszuwerden, veranlassten die Halterin, Mey-Mey in die Kleintierklinik mitzunehmen. „Die Situation an sich ist eigentlich kein Notfall, kann aber rasch zu einem werden,“ verdeutlicht Cordey. „Dann nämlich, wenn das Gras durch die Würg- und Niesreflexe in den Nasengang gerät.“ 

Gewissheit durch das Endoskop

In der Kleintierklinik S. wurde Mey-Mey umgehend sediert. „Es ist wichtig, das Tier ruhigzustellen“, erklärt Cécile Cordey. Nur so seien eingehendere Abklärungen ohne grossen Stress für den Patienten möglich. Der Arzt konnte anfänglich allerdings keine Auffälligkeiten feststellen. Erst nach einer Untersuchung mit dem kamerabestückten Endoskop war klar: In Mey-Meys Speiseröhre, hinter dem Gaumensegel, war ein kleines Stück Gras zu sehen. Dessen Entnahme erforderte viel Fingerspitzengefühl. Die Katze wurde narkotisiert und mit einer Intubation die Luftwege freigehalten. Cécile Cordey: „Wildwachsendes Gras hat – im Gegensatz zum Katzengras – kleine Widerhaken. Unvorsichtiges Entfernen kann zu Verletzungen in Hals und Speiseröhre führen.“ 

Ohne Komplikationen

Die Behandlung von Mey-Mey verlief zum Glück ohne Komplikationen. An die zehn Zentimeter lang war der Halm, den der Arzt aus der Speiseröhre ziehen konnte. Dem Tier wurden in der Folge entzündungshemmende, abschwellende und schmerzstillende Medikamente verabreicht. „In aller Regel erübrigt sich dann eine Nachbehandlung,“ sagt Cécile Cordey. Bei ihrer Katze sei jedenfalls alles bestens verlaufen. „Meine Prinzessin hat sich unmittelbar nach dem kurzen Klinikaufenthalt wieder völlig normal verhalten – und auch wieder problemlos und mit gutem Appetit gefressen.

“ Indes, die routinierte TPA weiss: Zu vermeiden sind derartige Vorkommnisse kaum. „Man kann Katzen nicht verbieten, Gras zu fressen. Ganz besonders nicht Tieren mit Freigang. Wenn aber meine Geschichte viele Katzenhalter für die Problematik sensibilisiert, haben wir doch ein schönes Ziel erreicht.“